Die Zahl von Ingestionen und Intoxikationen ist hoch. Der Rettungsdienst wird aber nur mit einer vergleichsweise geringen Zahl konfrontiert. Noch viel seltener besteht die Therapie in einer gezielten Gabe eines Antidots, sondern viel mehr in einer allgemeinen, notfallmedizinischen Therapie zur Sicherung und dem Erhalt der vitalen Funktionen. Die Magenspülung als entgiftendes Verfahren vor Ort wird nur noch in Einzelfällen und nach Rückkopplung mit einer Giftinformationszentrale empfohlen. Grundsätzlich ist ein Telefonkontakt mit einer Giftinformationszentrale immer vor der Einleitung einer spezifischen Behandlung zu empfehlen, es sei denn, dass die Vergiftung so schwer ist, dass die Notfalltherapie sofort erfolgen muss. Vor dem Telefonat sollten immer folgende Punkte in Erfahrung gebracht worden sein:
- Genaue Bezeichnung des aufgenommenen Giftes
- Sicher oder potentiell aufgenommene Menge des Giftes
- Zeitpunkt der Giftaufnahme
- Patientenidentität und Anamnese, wenn möglich Größe, Gewicht und Geschlecht des Patienten
Um gemäß den Empfehlungen der Giftinformationszentrale auch vor Ort eine Antidottherapie einleiten zu können, sollten die nach der „Bremer Liste“ empfohlenen Substanzen auf dem notarztbesetzten Rettungsmittel zusätzlich zur üblichen Notfallausrüstung vorhanden sein:
1 Amp. Atropin 100 mg zur Behandlung von Vergiftungen mit Insektiziden der Organophosphatgruppe, z.B. E 605
Dosierung: 5 – 10 – 100 mg bis zum Verschwinden der Vagussymptomatik
1 Amp. 4-DMAP 250 mg zur Behandlung von Vergiftungen mit Cyaniden (nicht bei Rauchgasintoxikation)
Dosierung: 3 – 4 mg/kg i.v.
4 Amp. Methylenblau 50 mg zur Behandlung von Vergiftungen mit Methämoglobinbildnern
Dosierung: 1 – 2 mg/kg i.v.
1 Amp. Naloxon 0,4 mg zur Behandlung von Vergiftungen mit Opiaten
Dosierung: In 0,1 mg Schritten titrieren bis zum Verschwinden der Vergiftungserscheinungen
1 Fl. Ultracarbon 50 g
Dosierung: Bei Erwachsenen und Kindern ab 12 Jahren 50 – 100 g per os
bei kleineren Kindern etwa 1 g/kg per os
Die bei Alkylphosphatvergiftung notwendige Therapie mit Atropin muss in der Klinik fallbezogen durch Toxogonin ergänzt werden. Die bei Cyanidvergiftung notwendige 4-DMAP-Gabe muss spätestens 1 Stunde danach durch Thiosulfat in der Klinik ergänzt werden. Je nach Standort des Rettungsmittels muss die Bevorratung von Antidota den regionalen Besonderheiten angepasst werden. Hierzu werden Kontakte zur regional ansässigen Industrie empfohlen.
01/2022