Neugeborenenerstversorgung und -reanimation

Geburten im präklinischen Bereich sind selten. Die meisten Kinder (ca. 90 %) adaptieren sich problemlos an das Leben außerhalb des Mutterleibes nach der Geburt. Die größten Gefahren sind Hypothermie gefolgt von Hypoxie. Bei gestörter Anpassung reichen in der Regel (bzw. fast immer) die Basismaßnahmen der Erstversorgung aus. Sofern verfügbar: Frühzeitig Alarmierung eines Baby-Notarztes inkl. Inkubator erwägen (Vorlaufzeit)!

Die adäquate Ventilation der Lunge ist die zentrale Maßnahme bei Bradykardie bzw. gestörter Adaptation!

Maßnahmen der normalen Erstversorgung:

  • Wärme und Wärmeerhalt:Abreiben mit Tüchern, in trockene und warme Tücher einwickeln; Frühgeborene nicht abreiben, sondern mit Frischhaltefolie abdecken
  • Stimulation: bei Reifgeborenen Abreiben des Rückens, bei Reif- und Frühgeborenen Klopfen auf die Fußsohlen
  • Lagerung:vor Setzen der Nabelklemmen Kind nicht über/unter Plazentaniveau halten; bei guter Adaptation gerne auf den Bauch der Mutter legen (Wärmeerhalt!)
  • Abnabeln:nach ca. 1 Minute langes Abnabeln (ca. zwei Helfer-Handbreiten vom Nabelschnurstumpf entfernt), zwei Klemmen nah beieinander setzen, dann zwischen den Klemmen schneiden.

WICHTIG:        Die Nabelschnur muss vollständig durch die Klemmen verschlossen werden,                 sonst Blutungsgefahr Mutter/Kind!

  • Kontrolle der Herzfrequenz:bester Parameter für den Zustand des Kindes; primär und frühzeitig EKG etablieren (insbesondere bei Neugeborenen, die einem Sorgen machen!); ggf. Auskultation über der Herzspitze oder Tasten am Nabelschnurstumpf bzw. der Art. brachialis (nicht trivial!); kein Tasten der Art. carotis → Vagusreiz und für den Ungeübten evtl. schwierig zu tasten
    • > 100/ min. normal
    • < 100/ min. gestörte Adaptation(Stimulation, Beatmung)
    • ≤ 60/ min. funktioneller Herz-Kreislaufstillstand (Beatmung, Herzdruckmassage, siehe Algorithmus nächste Seite)

Bei gestörter Adaptation/funktionellem (Atem-) Herz-Kreislaufstillstand:

  • Freimachen der Atemwege:Kopf in Neutralposition lagern (z.B. Tuch/kleine Rolle unter die Schultern), kein routinemäßiges Absaugen (nur notwendig, wenn die Kinder innerhalb von 10 – 15 s nicht geschrien haben und V.a. Atemwegsverlegung durch zähen Sekretpfropf; CAVE: Vagusreiz → Bradykardie)
  • Beatmung:5 initiale Beatmungen per Beutel-Masken-Beatmung, wenn möglich mit verlängerter Inspiration (2-3 s). Wenn Besserung (v.a. Anstieg der Herzfrequenz) nicht erkennbar oder keine sichtbaren Thoraxbewegungen: Erneut Atemwege öffnen durch Optimierung der Kopflagerung, ggf. 2-Hand-2-Helfer-Methode der BMV, ggf. Atemwegshilfen, dann Wiederholen der 5 initialen Beatmungen mit verlängerter Inspiration. Wenn keine sichtbaren Thoraxbewegungen: Erwäge Larynxmaske; Intubation ist nicht der einzig mögliche Weg der Ventilation!
  • Falls trotz effektiver Ventilation kein Anstieg der HerzfrequenzBeginn Herzdruckmassage (untere Sternumhälfte, Tiefe ca. 4 cm, Frequenz 120/min.) und Beatmung im Verhältnis 3:1 (Beatmungsfrequenz 30/min, Hyperventilation vermeiden)
  • Re-Evaluation alle 30 Sek.
  • Intubation (initial) zurückhaltend, bei Problemen mit Beutel-Masken-Beatmung, tiefer Rachentubus (nasal ca. 5 cm in den Rachen vorgeschobener ungeblockter Tubus, Mund und zweites Nasenloch abdichten) oder Larynxmaske (keine Intubation durch Unerfahrene)
  • Gefäßzugang:periphervenös, Nabelvene, intraossär (enge Markhöhle!)
  • Blutzuckerkontrolle:Bei BZ ≤ 45 mg/dl Gabe von 2,5 ml Glukose 10 %
  • Volumenbolus10 ml/kgKG balancierte Vollelektrolytlösung, ggf. wiederholen
  • Adrenalin meist nicht notwendig (eine suffiziente Beatmung führt in aller Regel zu einem Anstieg der Herzfrequenz und damit zu besseren Kreislaufverhältnissen!); wenn doch Adrenalin notwendig: 0,01 (- 0,03) mg/kg KG, das entspricht von der Standard-Konzentration (1 mg Adrenalin plus 9 ml NaCl) 0,1 (- 0,3) ml/kg KG nachspülen (3 – 5 ml)!

03/2022