Definition:
Verletzung mehrerer Körperregionen oder Organe, wobei mindestens eine Verletzung oder die Kombination mehrerer Verletzungen lebensbedrohlich ist (nach Tscherne)
Organisation und Anamnese vor Therapie:
- Eigensicherung
- Unfallmechanismus und Gewalteinwirkung eruieren (Sturztiefe > 3 m oder doppelte Körperhöhe, Ejektion aus KFZ, Tod eines weiteren KFZ-Insassen, Überrolltrauma, schwere Zerstörung des KFZ, Überschlagen KFZ).
- Frühe Rückmeldung an die Rettungsleitstelle, ggf. Nachforderung weiterer Rettungsmittel
- Frühe Entscheidung: patientenorientierte Rettung oder Sofortrettung / Crashrettung
Versorgungsziele:
- Sicherung der Vitalfunktionen (ABCDE-Schema)
- Rettung ohne Sekundärschädigung
- Zügige präklinische Versorgung.
- Rechtzeitige Vorinformation der geeigneten Zielklinik (nach Verletzungsmuster)
Traumamanagement = Zeitmanagement (siehe Traumaalgorithmus)
Therapie:
Prüfung der Vitalgefährdung (ABCDE), cranio-caudaler Check (GCS, Neurologie, offensichtliche + mögliche Verletzungen), kontinuierliches Monitoring (SpO2, RR, EKG, Pupillen, Rekapillarisierungszeit Nagelbett, bei Beatmung Kapnographie):
- HWS-Immobilisation
- O2-Gabe
- Bei starker externer Blutung manuelle Kompression / Druckverband / Tourniquet
- Großlumige periphervenöse Zugänge bzw. i.o.-Zugang an nicht frakturierten Extremitäten
- Angepasste Volumentherapie nach Verletzungsmuster / Kreislaufverhalten
- Einsatz KED / Schaufeltrage / Spineboard / Beckenschlinge abwägen
- Analgesie, bei Einklemmung vor der Rettung
- Narkose und Beatmung erst bei zugänglichem Patienten
- Instabiler Kreislauf: Forcierte Volumentherapie – wenn durch 2l Infusion keine Stablisierung erreicht wird erwäge innere Blutungen bzw. low cardiac output bei Spannungspneumothorax
- Tranexamsäure 1 – 2 g i.v. bei schwerem Trauma (ISS ≥ 16 oder ausgeprägtes Weichteiltrauma)
- Bei Verdacht auf innere Blutverluste (Kreislaufinstabilität) Forcierung der Rettungsmaßnahmen und zügiger Transport in die Klinik
- Reposition frakturierter Extremitäten / Lagerung auf Vakuummatratze
Fehler und Gefahren:
- Eigengefährdung des Rettungsdienstpersonals
- Unterschätzung des Verletzungsmusters (Lebensgefahr nicht erkannt!)
- Nicht erkannte oder unterschätzte Blutung, z.B. intraabdominell, thorakal (Zeitfaktor!)
- Spannungspneumothorax (Druckbegrenzte Beatmung verschleiert die Diagnose!)
- Trauma durch technische Rettung
- Ungeeignete Zielklinik (Sekundärtransport notwendig), Zeitverlust am Einsatzort
- Mangelhaft versorgte Einzelverletzungen (z.B. unterlassene Reposition)
- Ungenügende Dokumentation (z.B. Unfallmechanismus, Zeiten, Verlauf)
- Unzureichende Verlaufskontrolle
02/2017