Palliativpatienten im Notarztdienst

 Identifikation eines Palliativpatienten
  • Patienten mit nicht heilbarer, progredienter, weit fortgeschrittener Erkrankung mit begrenzter Lebenserwartung. (Neben Tumorerkrankung z.B. auch ALS, COPD Gold IV)
  • Bedenke: bei „Palliativpatienten“ kann es zu akuten Notfällen unabhängig von der Grunderkrankung kommen (z. B. ACS, Schlaganfall, Hypoglykämie o. a.)
Therapieziel und Therapiezieländerung
  • Patientenwillen berücksichtigen, ggf. mutmaßlichen Willen klären
  • Ist das Therapieziel rehabilitativ (durch Therapie ggf. „normales“ Leben wieder möglich) oder ist das Ziel eine Symptom-Kontrolle in der Sterbephase?
  • Besteht aus ärztlicher Sicht keine Indikation für eine medizinische Behandlung, erübrigt sich die Frage nach einer Patientenverfügung
  • Weiterbehandlung im häuslichen Umfeld ggf. im Konsens mit Patient, Angehörigen, Hausarzt (ggf. 116 117) und weiteren ambulanten Diensten möglich oder Übergabe an Palliativstation / Klinik
Typische palliativmedizinische Notfälle
  • Schmerzkrise (Nozizeptorschmerz, (neuer) neuropathischer Schmerz, „total suffering“)
    • bei Opioid-Dauertherapie etwa 1/6 der Äquivalenzdosis des retardierten Opioids in nicht-retardierter Form (s. Äquipotenz-Tabelle im Anhang)
    • bei unzureichender Symptomkontrolle ggf. (Es-)Ketamin (0,125 – 0,25 mg/kg KG i.v.)
    • bei anhaltend umfassendem Leiden („total suffering“) Benzodiazepine erwägen
  • Akute Luftnot
    • rehabilitatives Behandlungsziel: kausale Therapie (diuretisch, antiobstruktiv, NIV)
    • Symptomkontrolle: einfache Maßnahmen wie Lockerung von Kleidung, frische Luft, medikamentöse Sedierung (Opioide i.v. undc., Benzodiazepine)
    • Bei „Todesrasseln“ (Sekret im Oropharynx / Bronchien wird nicht mehr abgehustet) Patienten nicht mit Absaugen belasten, ggf. Gabe von Atropin 0,5 mg i.v. / s.c.
  • Starke Blutung
    • Blutungskontrolle möglich? Blutungsquelle mit Adrenalin (pur) getränkten Kompressen komprimieren; bei exulzerierten Tumoren ggf. Hämostyptika; wichtig: Kompression nicht lösen, um zu prüfen ob Blutung steht; ggf. chirurgische Blutstillung
    • Bei finaler Blutung: schnellstmöglich palliative Sedierung (Opiate, Benzodiazepine, ggf. Propofol), v. a. bei Blutung im Bereich der Atemwege (Tipp: dunkle Handtücher um den Bereich der Blutungsquelle legen, sieht weniger dramatisch aus).
  • Drohender oder eingetretener Kreislaufstillstand
    • wenn Patientenwille/Indikation unklar: Beginn mit maximaler Therapie bis Therapieziel geklärt (in dubio pro vita)
    • offensichtlicher Sterbeprozess: Sterben in Würde begleiten und es ohne Leid ermöglichen
    • NB: Pflegekräfte sind oft angehalten auch in infausten Situationen mit Wiederbelebungsmaßnahmen zu beginnen, da die Patientenverfügung möglicherweise unwirksam
  • Chemotherapeutika-induzierte Übelkeit und Erbrechen
    • Ondansetron 4 – 8 mg i.v. plus Dexamethason 4 – 8 mg i.v.
Wichtige Adressen und Telefonnummern im Einsatzgebiet vorhalten
  • SAP(P)V-Team (Spezialisierte ambulante (pädiatrische) Palliativversorgung)
  • Hospiz-Dienste / Hospize / Palliativstationen
  • Seelsorge
  • Kindernotdienst; Kurzzeitpflege für hilfsbedürftige Angehörige

Grundsätzlich sorgfältige Dokumentation aller Behandlungsmaßnahmen und Entscheidungen, die möglichst im Konsens mit Patient und Angehörigen getroffen werden sollen. Erwäge, einen Protokolldurchschlag beim Patienten zu belassen.